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PSYCHOSOZIALE GESUNDHEIT ALS WACHSTUMSBRANCHE?

Die Gesundheit gilt - so widersinnig sich das erst einmal anhört - als Wachstumsbranche der kommenden Zeit. Denn durch ein verbessertes Gesundheitsbewusstsein lassen sich Milliarden einsparen, durch die man wiederum einen wirtschaftlichen Schub finanzieren könnte.

Diese Überlegungen basieren auf den sogenannten Kondratieff-Zyklen (benannt nach ihrem Erstbeschreiber). Seit die Wirtschaft eine industrielle Basis hat, wird sie von Konjunkturwellen geprägt. Grundlage jeder Konjunkturwelle sind sogenannte Basis-Innovationen, d.h. wegweisende Entdeckungen oder Erneuerungen, meist technischer oder wirtschaftlicher Art.

Es begann um 1800 mit dem technischen Schub durch die Erfindung der Dampfmaschine auf der wirtschaftlichen Basis der Baumwollindustrie. Von 1850 bis 1900 waren es Eisenbahn und Stahl. Zwischen 1900 und 1950 brachten es Elektrotechnik und Chemie. Seit dieser Zeit verkürzen sich die Zyklen. Von 1950 bis 1990 waren es die Automobil-Industrie und die Petro-Chemie. Ab 1990 ging die Informationstechnik voran. Und was kommt danach?

Jetzt wird sich das Wirtschaftswachstum, so die Wirtschaftswissenschaftler, nicht mehr aus der Quelle Energie (Maschinen wandeln Energieprodukte um), sondern aus der Quelle Information speisen (Stichwörter: Software-Dienste, Internet usw.). Ein gewaltiges Wachstumspotential steckt vor allem im Informationsmarkt. Und der wird sich der psychosozialen Gesundheit annehmen. Warum?

Welche Voraussetzungen sind für eine stabile Gesundheit wichtig? Stabiles Selbstwertgefühl, ein positives Verhältnis zum eigenen Körper, Freundschaft und soziale Beziehungen, eine intakte Umwelt, sinnvolle Arbeit, gesunde Arbeitsbedingungen, ein ausreichendes Gesundheitswissen und vor allem der Zugang zur Gesundheitsversorgung sowie lebenswerte Gegenwart und begründete Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft (Weltgesundheitsorganisation - WHO).

Eigentlich kann man nicht gesünder als gesund sein, wie immer man Gesundheit definieren will. Es gibt aber zahlreiche Negativ-Faktoren, die nicht zuletzt in der freien Willensentscheidung liegen. Und hier macht auch jeder, was er will - all zu oft zu Lasten der Solidargemeinschaft. Und selbst dort, wo die Krankheit ein naturgegebener Schicksalsschlag ist, z.B. auf erblicher Basis, lässt sich trotzdem etwas machen. Und zwar durch rechtzeitige Information, die zu entsprechendem Gesundheitswissen und - vielleicht - zur rechtzeitigen Vorsorge, auf jeden Fall aber zu rascherer Diagnose, gezielter Therapie, konsequenter Rehabilitation - und damit zu Kostenersparnis führt.

Kosten sind der Motor konstruktiver Gesundheitsüberlegungen

Kosten, das ist der inzwischen am häufigsten gebrauchte Begriff, Kosten und ihre Folgen, jeder kann Beispiele nennen. Und solche Belastungen auf gesundheitlichem Gebiet, allein den seelischen Bereich betreffend, sind schon sehr eindrucksvoll:

Weltweit leiden nach Angabe der Weltgesundheitsorganisation (WHO) etwa 1,5 Milliarden Menschen unter psychischen Störungen. Davon 400 Millionen unter Angst- und Zwangsstörungen, 350 Millionen unter Depressionen, 288 Millionen unter Alkoholabhängigkeit, 250 Millionen unter Persönlichkeitsstörungen, 60 Millionen unter Oligophrenie, also geistiger Zurückgebliebenheit in verschiedenen Ausprägungsgraden, 57 Millionen unter psychosomatischen Störungen, 45 Millionen unter einer Schizophrenie (andere Daten sprechen von 60 Millionen), 29 Millionen unter Demenz u.a. Zählt man noch alle anderen seelischen Störungen hinzu, gibt allein das schon mehr als die erwähnten 1,5 Milliarden Betroffenen. Das heißt, viele Patienten sind mehrfach belastet, was ihr Beschwerdebild verstärkt und ihre Heilungsaussichten verringert. Und ganz besonders betrüblich: Eine Million Menschen pro Jahr werden mit ihrem Leben nicht mehr fertig und stirbt von eigener Hand, 10-20mal versuchen es.

Lässt man einmal die persönliche Tragik beiseite und konzentriert sich nur auf jenen Aspekt, der die Gemüter derzeit am meisten bewegt, nämlich die Kosten, dann kommen dabei schon beachtliche Zahlen heraus: Rauschdrogen kosten weltweit 800 Milliarden US-Dollar, Alkoholismus 600 Milliarden, allein die Angststörungen in Deutschland sollen zwischen 40 bis 100 Milliarden DM zu Buche schlagen. Depressionen sind wirtschaftlich inzwischen fast so kostspielig wie koronare Herzleiden, und die liegen kostenmäßig mit an der Spitze. Dabei ist von jenen Beeinträchtigung noch gar nicht die Rede, die viele nicht als krank erkennen oder die sich unserer konkreten Kontrolle entziehen, z.B. durch Schlafstörungen und Lärmeinwirkung (Leistungseinbruch!), Medikamentenmissbrauch usw.

Nur 5%...

Kurz: Wenn sich hier - so die Wirtschaftswissenschaftler - nur 5% Kosten einsparen ließen, käme man auf mehrere hundert Milliarden US-Dollar. Das würde Millionen neuer Arbeitsplätze schaffen und einen gewaltigen Konjunkturschub ermöglichen.

Aber selbst ohne diese riesigen Kosten-Löcher lässt sich durch ein verbessertes Gesundheitsbewusstsein viel erreichen. Man denke nicht nur an die körperliche, psychosomatische und seelische Gesundheit, sondern auch an kognitive Aspekte, die einen geistigen Energieschub ermöglichen würden. Stichworte: Kreativität (neue Ideen), Ausdauer, Kooperationswillen, Einsatzbereitschaft, kurz Leistungsfähigkeit und damit Produktivität im Interesse aller.

Gesundheit ist zwar nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts (Arthur Schopenhauer).

Was heißt das für die gesundheitspolitische Strategie des neuen Jahrtausends? Bildung schafft Wissen. Wissen ist Macht. Aber nicht nur Macht in negativer Hinsicht, sondern auch Macht zu helfen - sich selber und anderen. Das betrifft nicht zuletzt die Gesundheit, des Menschen höchstes Gut. Also gilt es die Prävention (Vorbeugung) zu stärken, und die lebt vor allem von einer aufgeklärten Gesellschaft. Dabei gibt es zwar wieder den alten Streit zwischen "Bring- und Hol-Schuld", doch der müsste lösbar sein. Tatsächlich muss sich die Bevölkerung ihre Informationen auch holen, muss sie abrufen, lesen, sehen, hören - und natürlich umsetzen. Aber diese Gelegenheit muss ihr auch geboten werden, deshalb der medien-politische Begriff der "Bring-Schuld" der Fachleute, in dieser speziellen Hinsicht also aller "Psycho-Experten" (Nervenärzte, Psychiater, Psychologen, psychologisch geschulte Schwestern, Pfleger, Sozialarbeiter, Ergotherapeuten u.a.m.).

Ein weites Feld

Und hier steht es um die "Psycho-Fächer" nicht sehr günstig. Im angelsächsischen Bereich, vorwiegend in den USA, hat man das schon längst erkannt. Dort sind populärmedizinische Informationen an der Tagesordnung. Sicherlich auch aus Eigennutz. Denn informierte Sponsoren sind natürlich auch spendierfreudiger. Ein nicht geringer Teil der Forschung (und Lehre) lebt dort von Spenden, und die kommen nicht von Fachleuten, sondern von Laien, die man durch entsprechende (laien-gerechte) Informationen erst davon überzeugen muss. Aber auch im deutschsprachigen Bereich bewegt sich langsam etwas, vor allem dank der Medien - und in Zukunft auch der neuen Medien wie dem Internet.

Der Wirtschaft täte es gut - und den Betroffenen hätte es schon früher gut getan (Prof. Dr. med. Volker Faust).

Bei allen Ausführungen handelt es sich um allgemeine Hinweise.
Bei persönlichen Anliegen fragen Sie bitte Ihren Arzt.
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