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DAS BURNOUT-SYNDROM UND SEINE FOLGEN

Erweiterte PDF-Fassung vom 29.09.2011:

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erschöpft – verbittert – ausgebrannt

Teil 1: Erkennen und Verstehen

Burnout ist in aller Munde, aber deshalb noch lange keine Diagnose - noch nicht. Es ist aber sehr wohl ein beklagenswerter Zustand, der immer häufiger wird. Und der verhängnisvolle Konsequenzen für den Betroffenen und sein Umfeld hat: Beruf, Partnerschaft, Familie, Freundeskreis, nicht zuletzt für die Gesundheit. Was muss man wissen? Nachfolgend eine komprimierte Übersicht zum Erkennen und Verstehen.

Unter Burnout (engl.: to burn out = ausbrennen) verstand man ursprünglich die negativen Folgen der beruflichen (Über-)Beanspruchung mit gemütsmäßiger Erschöpfung, innerer Distanzierung und schließlich Leistungsabfall. Oder - wie es früher beschrieben wurde -, ein "Stress-Syndrom der helfenden Berufe" bzw. auf einen kurzen Nenner gebracht: "Die Folgen von schlechten Bedingungen, unter denen viele gute Leute tätig sind".

Inzwischen handelt es sich um ein reichlich komplexes Beschwerde- bzw. Leidensbild, das zwar immer mehr Betroffene belastet, aber nur zögerlich Eingang in Wissenschaft und Lehre und damit in Beratung, Klinik und Praxis findet.

Was kann zum Burnout führen?

Zur Frage "was kann zum Burnout führen?" besteht bisher kein einheitliches Meinungsbild. Manche Wissenschaftler betonen Faktoren wie Mangel an Autonomie, Rollenkonflikte, zu hohe Erwartungen, Unklarheiten in den hierarchischen Strukturen, inadäquate Ziele und Konzepte, unzureichende Unterstützung durch Vorgesetzte usw. Andere weisen vor allem auf Beziehungskonflikte hin, was dann tatsächlich Berufe mit Patienten, Kunden, Schülern usw. besonders anfällig macht. Wieder andere betonen die Diskrepanz zwischen dem anfänglich hohen Engagement ("lodern"), verbunden mit ggf. irrealen persönlichen Erwartungen und der desillusionierenden Realität.

Was heißt das alles konkret? Nachfolgend in Stichworten die häufigsten Ursachen, wie sie beim Burnout-Syndrom immer wieder genannt werden (wobei dauernd neue Belastungsformen hinzukommen):

Hohe Arbeitsbelastung; schlechte Arbeitsbedingungen; Zeitdruck oder zu großes Pensum in einem zu eng gesteckten Zeitrahmen, vor allem stoßweise; schlechtes Betriebsklima; wenig tragfähige Beziehungen zu den Mitarbeitern; wachsende Verantwortung; Nacht- und Schichtarbeit, vor allem dort, wo man sich nicht arbeitsphysiologischen Erkenntnissen anpassen will oder kann; unzulängliche materielle Ausstattung des Arbeitsplatzes; schlechte Kommunikation unter allen Beteiligten (Arbeitgeber, aber auch Mitarbeiter untereinander); zu geringe Unterstützung durch den Vorgesetzten; wachsende Komplexität und Unüberschaubarkeit der Arbeitsabläufe und -zusammenhänge; unzureichender Einfluss auf die Arbeitsorganisation; Hierarchieprobleme; Verwaltungszwänge; Verordnungsflut (gestern neu, heute zurückgenommen, morgen modifiziert usw.); Termin- und Zeitnot; unpersönliches, bedrückendes oder intrigenbelastetes Arbeitsklima, vom Mobbing ganz zu schweigen; ferner ständige organisatorische Umstellungen, ohne die Betroffenen in Planung und Entscheidung einzubeziehen, bei Misserfolgen aber verantwortlich zu machen; zunehmende, immer neue und vor allem rasch wechselnde Anforderungen; zuletzt die wachsende Angst vor Arbeitsplatzverlust u.a.m.

Einige psychologische Aspekte des Burnout-Syndroms

Diese Liste äußerer Belastungen ließe sich beliebig verlängern. Dabei ist aber folgendes zu beachten: Ihre Bedeutung bemisst sich nicht nach dem, was "man" für richtig hält, sondern orientiert sich an den Grenzen, die den Betroffenen seitens seiner seelischen, geistigen und körperlichen sowie psychosozialen Fähigkeiten her gesetzt werden. Und hier wäre man dann bei den psychologischen oder innerseelischen Aspekten eines Burnout-Syndroms.

Das ist nicht sehr populär. Hinsichtlich der äußeren Belastungen sind alle einer Meinung, während man sich innerseelische und psychosoziale Schwachstellen nur bei anderen vorstellen kann. Und doch spielen meist beide Aspekte eine Rolle. Dabei ist es im innerseelischen Bereich zuerst einmal ein Faktor, der im Grund nur Gutes verheißt: Einsatz, Initiative, Engagement, ja Über­engagement. Das aber schließt auch die Gefahr von Überforderung und Erschöpfung mit ein.

Oft wirkt schon die Diskrepanz zwischen hohem persönlichen Einsatzwillen, großen Erwartungen und dem grauen Arbeitsalltag ernüchternd. Dazu kommt in manchen Fällen die mangelhafte gemütsmäßige Belastbarkeit im Umgang mit Patienten, Kunden, Schülern usw. Natürlich werden diese auch immer anspruchsvoller, fordernder, reizbarer oder aggressiver: Jeder scheint nur noch seine Rechte, kaum einer noch seine Pflichten zu kennen. So ist es sicher nicht falsch, wenn vor allem auf das engere Umfeld für das Entstehen von "Ausbrenn-Syndromen" hingewiesen wird. Doch sind wir auch gehalten, psychologische Einflüsse zu klären. Denn die Kombination beider Aspekte ist wahrscheinlich das Naheliegendste.

Häufig sind es auch Menschen mit Leistungswillen und Idealismus, die ihren beruflichen Aufgaben zwar gerecht werden wollen, dann aber bitter feststellen müssen, dass die erwarteten Erfolge und Anerkennungen ausblieben, ganz zu schweigen von einem Minimum an Lob, das heute tatsächlich kaum mehr zu haben ist. So werden Misserfolge im Arbeitsfeld dann nicht nur als Kränkungen, sondern sogar als persönliche Niederlagen erlebt. Das führt schließlich im Laufe der Zeit zu Beeinträchtigungen des Selbstwertgefühls, zu Kommunikationsstörungen, schließlich Leistungseinbruch, depressiv und ängstlich gefärbten Erschöpfungszuständen und zuletzt zu vegetativen Funktionsstörungen (Herz-Kreislauf, Magen-Darm, Wirbelsäulenbeschwerden usw.).

Nicht wenigen Burnout-Betroffenen macht im übrigen Leben auch eine zunehmende Sinnleere zu schaffen. Bei fehlendem Sinnbezug drohen aber noch rascher Erschöpfung, Entfremdung und Erholungsunfähigkeit - und im Gefolge davon neurotische und psychosomatische Störungen, bei denen sich seelische Probleme in körperlichen Krankheitszeichen niederschlagen.

Manche Menschen unterschätzen auch ihre berufliche Qualifikation und damit Leistungsfähigkeit und sind getrieben von blindem Ehrgeiz mit all seinen Folgen. Kommen noch entgleiste Selbstbehandlungsversuche mit Alkohol, Nikotin, Medikamenten oder gar Rauschdrogen hinzu, ist die Situation schließlich völlig verfahren.

Der Wille zum Helfen und zur hervorragenden Leistung ermöglichen im Übrigen auch das Erlebnis, gut und gleichzeitig mächtig zu sein - eine ideale Kombination. Kommt es jedoch - entgegen der unrealistischen Wünsche - nicht zu dieser Selbstbestätigung, droht eine Ernüchterung, im Extremfall das Burnout-Syndrom. Das in Einzelfällen überstarke Streben nach Selbstdarstellung, Belohnung, Erfolg, Ruhm, öffentlicher Aufmerksamkeit und Dankbarkeit, das sich immer mehr auszubreiten scheint, wird inzwischen nicht nur als Sonderform süchtigen Fehlverhaltens bezeichnet, sondern kann der direkte unheilvolle Weg zum Burnout-Syndrom werden.

Manche Menschen überschätzen auch ihre berufliche Qualifikation und damit Fähigkeiten und sind getrieben von einem bisweilen blinden Ehrgeiz, dessen Keim nicht selten schon in jungen Jahren von selber ehrgeizigen und falsch beratenen Eltern gelegt wurde, die ihre eigenen Grenzen durch den Erfolg ihres Kindes zu sprengen versuchen. So hat für manche "Ausgebrannte" ihr Beruf, ihre Position, das Projekt an dem sie arbeiten usw. eine besondere, ja - uneingestanden - einzigartige Bedeutung: Selbstverwirklichung, Selbstbestätigung, vielleicht sogar Selbsterhöhung als Selbstbehandlungsmaßnahme gegen miserable sonstige Bedingungen, als Therapie gegen Entmutigung, Nichtbeachtung, Überforderung, Kränkungen, Demütigungen usw. Oder auch das Gefühl, eigentlich nur durch Leistung und Anpassung geliebt, geschätzt oder zumindest akzeptiert zu werden.

Natürlich treffen die hier genannten Punkte auf die meisten Menschen in irgendeiner, wenngleich abgewandelten Form zu. Eine Direktverbindung zum Burnout-Syndrom lässt sich daraus noch nicht konstruieren. Ein wenig Burnout ist wohl in uns allen. Vermutlich hat es seinen Sinn. Doch der wird ins Gegenteil verkehrt, wenn sich die Mühsal des Alltags in ein Leidensbild verwandelt, das den Betroffenen lautlos, aber unerbittlich hinabzieht in eine selbst-zerstörerische Krankheit, deren Gefährlichkeit noch lange Zeit nicht erkannt wird.

Auf was muss man also achten, um ein Burnout-Syndrom zu verhindern, zumindest aber rechtzeitig zu erkennen und dann gezielt zu behandeln?

Das Beschwerdebild des Burnout-Syndroms

Wie so oft im seelischen Bereich sind auch diese Symptome vielsagend und im Einzelnen wenig aussagekräftig. Sie passen zu manchen seelischen Störungen. Und wenn es sich um so genannte Vorposten-Symptome im Vorfeld eines beginnenden Leidens handelt, sogar zur überwiegenden Mehrzahl psychischer Erkrankungen. Trotzdem muss man sie rechtzeitig erkennen lernen.

Inzwischen glaubt man sogar, das Burnout-Syndrom in verschiedene Phasen einteilen zu können: Warnsymptome der Anfangsphase -> reduziertes Engagement -> depressive und aggressive Reaktionen -> Abbau von Leistungsfähigkeit, Motivation und Kreativität -> Verflachung im geistigen und Gemütsbereich sowie im sozialen Leben -> psychosomatische Reaktionen (Herz-Kreislauf, Magen-Darm, Muskulatur, Immunsystem usw.) -> Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Suizidneigung. Auch wenn sich dies nicht schematisch nutzen lässt, vermittelt es doch einige praktische Hinweise.

Nachfolgend eine Kurzfassung der wichtigsten Krankheitszeichen, die auf ein Burnout-Syndrom hinweisen können, aber nicht zwangsläufig müssen. Die Entscheidung obliegt hierbei natürlich dem Arzt, der allerdings nur selten aufgesucht wird - und wenn, dann häufig spät (und unter anderen, meist vorgeschobenen Gründen).

Warn- und Alarmsignale

Der Beginn einer Burnout-Krise erscheint also erst einmal positiv. Viele Burn-out-Betroffene gelten in der Tat als aktiv, dynamisch, zupackend, ideenreich, engagiert bzw. überengagiert: vermehrter Einsatz, freiwillige Mehrarbeit, (subjektiver) Eindruck der eigenen Unentbehrlichkeit, das Gefühl, eigentlich nie mehr richtig Zeit zu haben, damit wachsende Verleugnung eigener Bedürfnisse. Und vielleicht sogar eine heimlich zunehmende Beschränkung zwischenmenschlicher Kontakte, und zwar von außen nach innen: Arbeitskollegen, Nachbarn, Bekannte, Freunde, Verwandte, enge Angehörige, Partner. Oft findet sich auch die zwiespältige Fähigkeit, zumindest aber der Versuch, Misserfolge und Enttäuschungen einfach nicht wahrnehmen zu wollen und daraus Konsequenzen zu ziehen. Mit anderen Worten: Viele jener an sich guten Eigenschaften stellen sich bei näherer Betrachtung als Fußangeln, wenn nicht gar als Fallgruben heraus.

Nach und nach wird das (Über-)Engagement auch durch eine sich langsam, aber unerbittlich ausbreitende Erschöpfungsphase gleichsam ausgebremst: Jetzt drohen verminderte Belastbarkeit, wachsende Stimmungslabilität und vor allem eine bisher nicht gekannte Erholungsunfähigkeit ("komme nicht mehr auf die Füße"). Auch eine sonderbare und vor allem zunehmende Infektanfälligkeit gehört dazu, meist ständige banale Erkältungen und Grippeinfekten. Die Betroffenen werden müde, z. B. im Sinne einer eigenartigen, alles durchdringenden Mattigkeit (wie sie nebenbei das höhere Lebensalter generell kennzeichnet), in Fachkreisen auch als Tagesmüdigkeit oder chronische Müdigkeit bezeichnet. Am Ende drohen sogar rasche Erschöpfbarkeit und schließlich regelrechte Kraftlosigkeit. Dazu kommt ein sonderbares Phänomen, nämlich "müde, matt und abgeschlagen" nach außen, innerlich aber unruhig, nervös und gespannt, mitunter sogar reizbar und gelegentlich aggressiv. So etwas hat man früher sehr treffend als "reizbare Schwäche" bezeichnet.

Das Ganze mündet schließlich in einen Endzustand, der durch Resignation, Entmutigung, verringerte Frustrationstoleranz, leichte Kränkbarkeit, Niedergeschlagenheit, schließlich sogar durch Minderwertigkeits- und Versagensgefühle gekennzeichnet ist. Die Sichtweise der Betroffenen wird schwernehmend, pessimistisch, ja von Negativismus oder Fatalismus geprägt. Man erkennt diese Menschen angesichts ihres früheren Auftretens kaum wieder.

Psychosoziale Konsequenzen

Das hat Folgen. Langsam, aber stetig wird das gesamte Leistungsvermögen regelrecht abgebaut: die Motivation, die Kreativität, die Gedächtnisleistung, d. h. es behindern immer häufiger Merk- und Konzentrationsstörungen, ja regelrechte Vergesslichkeit. In diese Zeit fallen auch die ersten ernsteren körperlichen Beschwerden ohne nachweisbaren Grund.

So kann es nicht ausbleiben, dass sich schließlich auch Partner- oder Eheprobleme, zuletzt auch allgemeine familiäre Schwierigkeiten dazu gesellen. Jetzt beginnt der Betroffene wie eine Kerze an beiden Seiten abzubrennen. Auch zu Hause gibt es nämlich keine Rückzugs- und Erholungsmöglichkeiten mehr. In diese Zeit fällt deshalb nicht selten ein wachsender Alkohol-, Nikotin- und Kaffee-Konsum, möglicherweise sogar ungesteuerte, weil verzweifelte und vor allem nicht ärztlich kontrollierte Selbstbehandlungsversuche mit Beruhigungs-, Schmerz- und Schlafmitteln aus fremden und früheren Beständen. Denn der Arzt wird selbst in diesem Stadium nur selten hinzugezogen, und wenn, dann - wie erwähnt - unter vorgeschobenen, d. h. im Grunde irrelevanten und damit irreführenden Voraussetzungen bzw. Klagen. Dies betrifft nicht zuletzt "starke Persönlichkeiten", die es als Schwäche empfinden, letztlich "ohne Grund" um Hilfe nachzusuchen bzw. die die möglichen, nur dunkel erahnten Hintergründe von vornherein ablehnen ("Burnout oder ähnliches haben nur Schwächlinge oder Erfolglose ....").

Berufliche Einbußen

Einige der schwerwiegendsten Konsequenzen aber konzentrieren sich auf den Arbeitsplatz. Natürlich reagiert jeder anders, aber immer wieder zu hören sind folgende Charakteristika:

Desillusionierung, Gefühl von Widerwillen, Ärger, Versagen, ggf. Entmutigung; Gleichgültigkeit; Schuldgefühle; negative Einstellung mit wachsendem Widerstand, täglich zur Arbeit zu gehen; ständiges Auf-die-Uhr-Sehen im Dienst; Fluchtphantasien und Tagträume; Überziehen von Arbeitspausen, verspäteter Arbeitsbeginn, vorverlegter Arbeitsschluss und wachsende Fehlzeiten; Verlust von positiven Gefühlen gegenüber Patienten, Klienten, Schülern, Kunden usw.; deshalb vermehrte Verschiebung von entsprechenden Kontakten; innerer Widerstand gegen Anrufe und Besuchstermine; heimlich einschleichender Dienst nach Vorschrift; Stereotypisierung von Klienten, Patienten u. a. ("ist doch immer das gleiche ..."); Unfähigkeit, sich auf die anderen zu konzentrieren, ihnen geduldig zuzuhören; vermehrt tadelnde, negative, reizbare oder gar aggressive Einstellung den anderen gegenüber; Vermeidung von Diskussionen mit Mitarbeitern und Vorgesetzten; immer öfter mit sich selber beschäftigt; zunehmend unbewegliche, ja starre Denkkategorien; misstrauischer Widerstand gegen jegliche Veränderungen im Betrieb, manchmal fast wahnhaft anmutende Reaktionen; damit wachsende Rückzugsneigung und Isolationsgefahr u. a.

Nach außen äußert sich diese verhängnisvolle "Abwehrstrategie" gegenüber der inzwischen ungeliebten Berufsaufgabe oft darin, dass der Kontakt zu Patienten, Kunden, Schülern usw. immer mehr vom menschlichen Aspekt weg­gerückt und zum "Fall" degradiert wird, zum "Vorgang", zur "Bearbeitungs-Nummer" usw. Das Subjekt sinkt zum Objekt herab. Damit erlischt die innere Beziehung. Die ursprünglich positiven Gefühle werden ins Negative verkehrt. Es kommt zu einer ungewohnten seelischen Verhärtung und schließlich sogar Verflachung des Gemütslebens (bei aber unveränderter oder wachsender Kränkbarkeit für eigene Belange).

Und schließlich der für jeden erkennbare Endzustand: Ironie, Sarkasmus und Zynismus.

Das Ende

Das ist natürlich keine gute Strategie. Vor allem fällt sie auf den Betroffenen zurück. Jetzt schwindet nämlich auch das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit, die erworbenen Kenntnisse, die langjährigen Erfahrungen. Minderwertigkeitsgefühle, Unsicherheit, Gleichgültigkeit und depressive Verstimmungen greifen um sich. Die Arbeit liefert ohnehin kein Erfolgsgefühl mehr. Die Verlagerung des Interesses auf die Freizeit ("Aufblühen am Wochenende") ist zweischneidig. Das Wochenende dient eigentlich der Erholung und Bereicherung, nicht der Kompensation von "5 Werktagen Frust".

Was übrig bleibt, ist eine sonderbare Mischung aus Widerwillen, Resignation, Selbstmitleid, Bitterkeit, Reizbarkeit, Aggressivität, Negativismus, Ressentiments, Misstrauen, Deprimiertheit, Angst, bisweilen sogar Panikbereitschaft. Die Entwertung der anderen schlägt um in die Entwertung der eigenen Person.

Spätestens jetzt erdrücken die schon lange belastenden körperlichen Beschwerden, die nach wie vor durch keinen organischen Befund gestützt werden können (obgleich man vielleicht von einem Facharzt zum anderen gewandert ist, ausgedrückt in dem modernen Begriff "doctor shopping"). Am häufigsten sind es Schlaf-, Appetit- und sexuelle Störungen, Kopfschmerzen (vor allem ein dumpf-diffuser, manchmal helm-, manchmal reifenartiger Kopfdruck, beim einen mehr im Bereich der Stirn, beim anderen im Hinterhauptsbereich lokalisiert), ferner Beschwerden von Wirbelsäule und Gelenken, Magen-Darm-Leiden, Herz- und Kreislaufbeschwerden sowie die bereits erwähnte erhöhte Anfälligkeit für Infektions- (vor allem Erkältungs-) Krankheiten. Der Betroffene fehlt immer häufiger am Arbeitsplatz. Aber jetzt nicht mehr aus rein seelischen oder psychosozialen, sondern auch aus organischen oder treffender: psychosomatischen Beschwerden (unverarbeitete seelische Probleme, die sich im körperlichen Bereich äußern und keinen krankhaften Befund ergeben, mit Ausnahme der üblichen "Grenzbefunde", die jeder hat).

Das läutet die letzte Runde dieses Teufelkreises ein, der dann lautet: abnehmende Arbeitsmoral und damit Qualitätsverlust der eigenen Leistung -> innere Kündigung -> seelischer Einbruch mit zahlreichen körperlichen Symptomen ohne nachweisbare Ursache -> entgleiste Selbstbehandlungsversuche mit Genussmitteln und Medikamenten -> zusätzliche Partner- und Familienprobleme -> längerfristige Krankschreibungen wegen unklarem Krankheitsbild -> Gefahr der Kündigung -> Verzweiflung mit gesamthaft negativer Einstellung, zumindest aber Unerfülltheit, Hoffnungslosigkeit, Gefühl der Sinnlosigkeit, ggf. sogar Selbsttötungsgedanken -> existentielle Gefährdung.

Was kann man tun: vorbeugend und schließlich therapeutisch?

Teil 2: Vorbeugen und Behandeln

Vorbeugende Maßnahmen

Die wirkungsvollste Behandlung ist wie immer eine rechtzeitige und konsequente Vorbeugung. Dazu einige Hinweise:

Der erste Schritt ist eine gründliche Situationsanalyse. Es ist erstaunlich, wie lange sich viele Menschen ausgebrannt dahinschleppen, ohne über mögliche Ursachen realistisch und objektiv nachgedacht zu haben. Offenbar kann man sich selbst am besten täuschen. Zusammengefasst heißt das: Welche Umweltbedingungen sind belastend? Welche eigenen Bedürfnisse und Ziele wurden vernachlässigt, welche Fähigkeiten blieben unterentwickelt? Welche Vorstellungen sind unrealistisch, welche Glaubenssätze und Denkmuster dysfunktional, welche Informationen fehlen und wo lässt sich mit dem besten Aufwand/Nutzenverhältnis etwas ändern - vor allem ein Stück Autonomie, also Freiheit für sich selber wiedergewinnen? Dazu einige konkrete Überlegungen:

- Der Einsatz: Als erstes muss man sich der Möglichkeit bewusst sein, dass das "Ausbrennen" jeden treffen kann. Den Einsatz deshalb dosieren und damit die Kräfte langfristig schonen. Zu großes Überengagement am Anfang birgt immer eine Erschöpfungsgefahr in sich - früher oder später, je nach individuellem Kräfte-Reservoir und entsprechenden Arbeitsbedingungen.

- Beruf: Im Weiteren muss man klären, ob der jetzige Beruf tatsächlich der "Jugendtraum" war. Oder ob man ihn eigentlich nie angestrebt hat, nur "hineingerutscht" ist oder gar hineingezwungen wurde. Sich darüber klar werden, heißt zwar schmerzliche Erkenntnisse hinzunehmen, bedeutet aber auch keinen Illusionen mehr aufzusitzen.

- Dann der Versuch, die Selbsteinschätzung schonend zu modifizieren, d. h. Schluss mit den überhöhten Ansprüchen an sich selber ("was man nicht selber tut, ist nicht getan"). Vielleicht auch die überhöhte Selbsteinschätzung korrigieren, was die geistige Leistungsfähigkeit, seelische Stabilität, die körperliche Belastbarkeit, die psychosozialen Bedingungen, also Partnerschaft, Familie, berufliches Umfeld usw. anbelangt.

- Die gesunde Lebensführung ist ein ungelöstes Problem. Zum einen ist die Gesundheit das kostbarste Gut und deshalb stets ein vorrangiger Wunsch. Doch die Realität sieht anders aus. Die einfachsten Gesundheitsregeln werden im Alltag nicht ernst- oder wahrgenommen, dafür haben immer häufiger Übertreibungen (Sport) und suspekte Gesundheitsangebote Hochkonjunktur. Besonders die kleinen Unterstützungsmaßnahmen haben keine Chance. Sie wirkten entweder zu banal oder werden gezielt lächerlich gemacht. Denn was man nicht ernst nehmen muss, braucht man auch nicht zu befolgen. Zumindest aber macht es keine Schuldgefühle, wenn man sich unvernünftig verhält. Was also soll man weder in den höchsten Tönen anpreisen, noch niedermachen, sondern einfach praktizieren? Im Einzelnen:

- Ausreichender Schlaf: Diese an sich selbstverständliche Forderung wird häufig nicht vom individuellen Bedarf, sondern von den psychosozialen Bedingungen bestimmt. Damit droht ein schleichendes Schlaf- bzw. Regenerationsdefizit, insbesondere ab den mittleren Lebensjahren (in jungen Jahren wird der Raubbau lange nicht realisiert). Ein ausreichendes Schlafquantum, das vom Organismus und nicht von äußeren Zwängen diktiert wird, ist eine der wichtigsten Vorbeugemaßnahmen gegen psycho-physischen Verschleiß im Allgemeinen und das Burnout-Syndrom im speziellen. Dabei wird sich an den beruflichen Bedingungen nur selten etwas ändern lassen (was die Folgen aber auch nicht mildert), wohl aber in der Freizeit. Dort wird die Schlaf- und damit Erholungszeit unvernünftigerweise ständig verkürzt, was nicht zuletzt den "ungesunden Fernsehgewohnheiten" anzulasten ist. Man sitzt und sitzt, konsumiert aufregende Programme (auch wenn man meint, es berühre einen nicht) und beeinträchtigt damit Schlaf-Qualität und -Quantum. Und selbst der Urlaub dient nicht der Erholung, sondern kann eine durchaus stress-intensive Zeit werden, zumindest bezüglich Anreise und Rückfahrt im Stau.

- Auch physikalische Behandlungsmaßnahmen sind zur körperlichen und sogar seelischen bzw. psychosomatischen Kräftigung durchaus erfolgreich, wenn man 1. keine Sofortwirkung erwartet und sich 2. wenigstens zu einer mittelfristigen Behandlungsstrategie durchringen kann. Dazu gehören - je nach Schwachpunkten - Schulter- und Nackenmassagen, Kneippsche Anwendungen, medizinische Bäder mit entsprechenden Zusätzen u. a.

Ganz wichtig, nicht nur aus biologischer Sicht, sondern weil auch durch Eigeninitiative getragen, sind Bürstenmassagen und Wechselduschen. Sie sollten ohnehin zum Standard-Repertoire einer gesunden Lebensführung gehören. Meist handelt es sich um morgendliches Trockenbürsten des ganzen Körpers (in kreisförmiger Bewegung zum Herzen aufsteigend) sowie anschließendes Wechselduschen (d. h. mit kühl oder kalt abschließen).

- Körperliche Aktivität: Sport, ggf. Leistungssport, ja sogar riskante oder verschleißträchtige Sportarten sind derzeit "in". Das aber ist nicht das, was der Organismus benötigt, um seine Reserven wieder aufzufüllen. Gefordert ist regelmäßige(!) körperliche Aktivität in vernünftigem Maße und nicht stoßweise Überaktivität. Dazu gehören z. B. täglicher "Gesundmarsch" bei Tageslicht (vor allem in der dunklen Jahreszeit, um der wachsenden Beeinträchtigung durch so genannte saisonale affektive Störungen zu begegnen, früher auch als "Winterdepression" bezeichnet). Ferner Gartenarbeit (was gemütsmäßig besonders ausgleichend wirkt) oder Fahrradfahren, Schwimmen, Gymnastik usw.

Wichtig: Sich nicht an "moderne" oder gerade hochgejubelte Sportarten verlieren, sondern sorgfältig herauszufinden suchen, was einem am besten zusagt, wo man sie auf körperlicher und seelischer Ebene am ehesten wiederfindet, und die wenigsten Risiken eingeht.

Im Übrigen bestätigt die Wissenschaft inzwischen, was ohnehin jeder weiß, wenngleich nicht nutzt: Wald, Feld und Flur bieten die günstigsten Regenerationsbedingungen. Insbesondere das so genannte Waldklima, in der Allgemeinheit einfach als "gute Waldluft" bezeichnet, in Wirklichkeit aber eine heilsame Mischung aus verschiedenen klimatischen Parametern: Temperatur, Windgeschwindigkeit, Strahlungsangebot (spezielle Lichtverhältnisse mit dem vorherrschenden langwelligen Rot, Luft- und Lärmfilterung usw.) wären ein unvergleichlicher Ort der Erholung - sofern man ihn nützen würde, und zwar regelmäßig.

- Über ein gesundes Nahrungsverhalten gibt es eine ungeheuere Literatur und ständig neue Empfehlungen. Dabei weiß jeder selber, wie er sich ernähren sollte: Über-, aber auch Untergewicht vermeiden; Rückkehr zu Vollkornprodukten und faserreicher Ernährung (z. B. Müsli, aber selbstgeschrotet), großer Anteil von Obst und Gemüse, möglichst in roher Form; Einschränkung raffinierter Produkte und Konserven.

- Das Problem der Genussmittel lässt sich in noch kürzer fassen: Alkohol und Kaffee in Maßen, Nikotin meiden.

- Keine Rauschdrogen: Eigentlich selbstverständlich, aber die Realität sieht anders aus. Dies betrifft nicht die harten Drogen, sondern die so genannten soft drugs (z. B. Haschisch und Marihuana, ggf. auch Psychostimulanzien) oder Party-Drogen (z. B. Designerdrogen wie Ecstasy). Man glaubt nicht, wie vielen Menschen denen man das nie anmerken würde, der gelegentliche Drogenkonsum nicht fremd ist.

- Erlernen von Entspannungstechniken: Dazu gehören Autogenese Training, Yoga, Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson u. a., und zwar bevor man sie braucht - und dann auch regelmäßig einsetzen bzw. trainieren.

- Hobbys: Ganz wichtig ist die Pflege von Hobbys und sonstigen Tätigkeiten außerhalb des Berufs. Das gilt als Selbstverständlichkeit, doch auch hier sieht die Wirklichkeit anders aus. Jeder spricht von seinen Hobbys, doch nur eine Minderheit praktiziert sie so, dass sie einen hilfreichen Stellenwert im Alltag einnehmen. Die häufigste Entschuldigung ist bekannt: keine Zeit, der Beruf und sonstige Verpflichtungen lassen es nicht zu.

Wie real diese Ausrede auch immer sein mag, wenn man das Hobby als Regenerationshilfe nicht nutzt und auch sonst keinen Ausgleich hat, dann gerät man langsam, aber sicher in ein Defizit. Dessen Folgen sind meist aufwendiger, als die kontinuierliche Pflege eines Hobbys. Denn ein Hobby ist nicht nur ein Hobby, sondern ein wichtiger Teil der Gesundheitserhaltung, eine wirksame Selbstheilungsmaßnahme.

Manche versteigen sich - ausdrücklich oder zumindest für sich selber als Trost - zu dem "Grundsatz": Mein Beruf ist mein Hobby. Diese Brücke kann in der Tat recht lange halten, hat aber ihre Schwachstellen. Denn was ist, wenn der Beruf das Hobby darstellt und man verliert plötzlich die Freude an der Arbeit, aus welchem Grund auch immer? Dann hat man gar nichts mehr.

Oder noch schlimmer: Was ist nach Abschluss der Arbeit denn nicht alle können bis ins hohe Alter weitermachen? Dann drohen "Renten-Bankrott" und "Pensionierungs-Schock". Wer dann alte Hobbys reanimieren will, muss Glück haben, wenn das gelingen soll. Vielfach schrumpft alles zu einem kümmerlichen Tagesplan, der eher an ein Dahinvegetieren als an ein erfülltes Altern erinnert. Vor allem aber schrumpfen damit geistige Regsamkeit, körperliche Reserven und zwischenmenschliche Aktivitäten. Deshalb: Hobbys sind mehr als Hobbys. Sie sind wie ein angespartes Vermögen für psychosoziale Notzeiten, die ja durch das Berufsende unabweislich kommen werden.

- Kontakte pflegen: Auch das ist ein Punkt, der viel zu wenig beachtet bzw. nicht ernst genommen wird. Das betrifft nicht nur Nachbarn, Bekannte, Freunde, sondern sogar den engeren Familienkreis: Eltern, Partner, Kinder. Letzteres wird noch am ehesten eingesehen. Doch auch die anderen Kontakte sind wertvoll. Denn zwischenmenschliche Beziehungen auf jeder Ebene schützen vor dem "Ausbrennen". Das sieht zwar jeder ein, doch bei immer mehr Menschen kommt es durch die berüchtigte Stress-Spirale zum "leisen Einschlafen der Beziehungen", nicht zuletzt im Freundes- und Nachbarkreis. Man muss sich einmal selber beobachten: Nur wenn man "gut drauf", ausgeschlafen, zufrieden, voller Dynamik usw. ist, sucht und vor allem steht man den zwischenmenschlichen Kontakt auch befriedigend durch. Müde, matt, abgeschlagen, unzufrieden, missgestimmt, deprimiert usw. geht man ihm eher aus dem Weg. Kontakt braucht nicht nur Zeit, sondern auch Kraft. Also geht er verloren, wenn man dauern "gestresst" und überfordert ist.

Doch das hat folgenschwere Konsequenzen, und zwar nachhaltiger, als man dem Faktor "Pflege der Beziehungen" zutrauen würde. Man beginnt nämlich still und leise zu vereinsamen. Und dann traut man sich im Falle der Not nicht mehr anzurufen und hätte etwas Zuspruch doch so bitter nötig. Kurz: Kontakte müssen sorgfältig gepflegt werden, vor allem in Zeiten, in denen man sie nicht zu brauchen scheint. Sonst kann man bei Bedarf nicht "ernten".

Therapie des Burnout-Syndroms

Zur Therapie des Burnout-Syndroms gibt es trotz zahlreicher Einzelhinweise bisher kaum gesichertes Wissen. Am effektivsten ist und bleibt eine individuell angepasste Behandlung. Was bietet sich dabei an?

- Als Erstes gilt es - wenn auch verspätet - die psychohygienischen Selbstbehandlungmöglichkeiten zu nutzen, die natürlich am besten als präventive Maßnahmen im Vorfeld eines beginnenden Beschwerdebildes greifen. Sie sind nie umsonst, nicht als Vorbeugung, nicht im Rahmen eines schließlich nötig werdenden Gesamtbehandlungsplanes.

- Die Psychotherapie, also die Behandlung mit psychologischen Mitteln durch Psychiater, Nervenarzt oder Psychologen mit psychotherapeutischer Ausbildung dürfte allerdings nur selten zustande kommen. Etwas anderes sind verhaltenstherapeutisch orientierte Empfehlungen, die in jedem Falle weiterhelfen. Dazu gehören z. B. die Umverteilung der Energien vom Aufgaben- auf den Freizeitbereich (der bisher vernachlässigt wurde), vor allem aber Zeitplanung (Tages- und Wochenpläne) mit genauer Aufteilung von aktiven und passiven Freizeitphasen, die dann auch wirklich eingehalten werden. Und das bereits mehrfach erwähnte Erlernen und konsequente Anwenden eines Entspannungstrainings (z. B. Autogenes Training, Yoga). Dazu müssen die zugrunde liegenden Belastungsfaktoren bewusst gemacht werden, zumal sie verantwortlich sind für das ständig überhöhte Anspannungsniveau und die damit auf Dauer verringerte Stressresistenz.

Das Gleiche gilt für den Umgang mit Frustrationen, Aggressionen oder gar selbstschädigenden Verhaltensweisen (vom Kaffee-, Nikotin- und Alkoholmissbrauch bis zur sportlichen Überforderung oder gar Risiko-Sportart als überkompensatorische Selbstbestätigung). Dabei müssen genaue Pläne mit Verhaltensweisen erarbeitet und konstruktive Selbstinstruktionen (z. B. auch "Notfall-Instruktionen") festgelegt werden. Wichtig ist auch das exakte Erfassen von Schlüsselreizen (was geschieht, wenn...). Sobald sich derlei abzeichnet, muss der Patient umgehend entsprechend reagieren, und zwar anhand eines genauen Interventionsplanes, z. B. mit Entspannungsübungen, Aus-Zeit nehmen usw.

Gegen eine Rückfallgefahr, insbesondere was die konstruktive Freizeitgestaltung anbelangt, wird eine individuelle Checkliste mit den Warnsymptomen und entsprechenden Verhaltensstrategien erstellt. Das alles muss regelmäßig durchgegangen und ggf. wiederholt und damit verstärkt werden. Eine Burnout-Therapie ist nicht nur eine vorübergehende Intervention, sondern eine Langzeitanstrengung. Das Therapieziel ist die generelle Veränderung der Lebensgewohnheiten und eine Veränderung der Selbsteinschätzung.

- Die soziotherapeutischen Unterstützungs- und Korrekturmaßnahmen gehen z. T. schon in obigen Empfehlungen auf, ergänzt durch die ebenfalls bereits erwähnten Vorschläge für eine gesunde und geordnete Lebensführung, was vor allem die Faktoren Schlaf, Genussgifte, Erholungsbedarf, Nahrungsverhalten, körperliche Aktivität u. a. betrifft. Auch die Arbeitsplatzsituationen, die häufigste Ursache eines Burnout-Syndroms, muss natürlich diskutiert werden, einschließlich der dahinter stehenden Aspekte: zu hohe Erwartungshaltung, Überforderung, mangelhafte Unterstützung durch Vorgesetzte, Auseinandersetzungen mit Kolleginnen und Kollegen, Unzufriedenheit, Resignation und Verbitterung usw. Wichtig ist hier eine rückhaltlose Aufklärung der meist komplexen Ursachen, eine intensive Motivationsarbeit und vor allem das Gefühl des Betroffenen, vom Therapeuten verstanden und angenommen zu werden.

- Physikalische Behandlungsmaßnahmen werden zwar akzeptiert - aber meist nicht praktiziert, zumindest nicht konsequent. Auch kosten sie natürlich Zeit. Das alles widerspricht der Wesensart und Einstellung vieler Burnout-Betroffener, die ja bekanntlich eine Neigung zur "kurzen Geduld" haben, die sich vor allem in dem Wunsch niederschlägt, möglichst rasch "wiederhergestellt" zu werden, wie ein technisches Gerät nach Wartung oder Reparatur. Das bedarf der ausführlichen Aufklärung, verbunden mit der Mahnung zu Ausdauer, Geduld und Therapietreue sowie Eigeninitiative. Neben der dosierten körperlichen Aktivität werden es vor allem Schulter- und Nackenmassage, Gymnastik, Kneippsche Anwendung, medizinische Bäder mit entsprechenden Zusätzen etc. sein.

- Die Pharmakotherapie ist umstritten, aber nicht in ihrer Wirkung, sondern im allgemeinen Meinungsbild. Geradezu grotesk deutlich wird dies, wenn die Betroffenen besorgt oder entrüstet Arzneimittel mit Wirkung auf das Seelenleben ablehnen, insgeheim aber bereits zu Alkoholgefährdeten, Nikotinsüchtigen, Coffeinisten oder gar Drogenkonsumenten (Psychostimulanzien, Designerdrogen, Haschisch/Marihuana, Kokain usw.) geworden sind. Psychotrope Pharmaka werden zwar als "Chemie" oder "Gift" zurückgewiesen, der morgendliche Koffein-, der ganztägige Nikotinmissbrauch und der abendliche Alkoholkonsum bis zur Rauschgrenze ("Schlummertrunk", "ein Gläschen Rotwein zur Entspannung") aber gehören bereits seit Jahren dazu.

Wichtig bei den Psychopharmaka ist die ärztliche Begleitung. Das hört sich selbstverständlich an, ist es aber nicht. Nicht wenig Burnout-Betroffene neigen zu selbstherrlicher Medikation und meinen, selber am besten zu wissen, was ihnen gut tue. Das ist übrigens generell ein Teil ihres Problems, kann aber bei der medikamentösen Selbstbehandlung eine ernste Zusatzbelastung werden.

Die Vorschläge des Arztes richten sich nach dem Beschwerdebild, mehr erschöpft-resigniert oder gar deprimiert, mehr unbestimmt-ängstlich oder konkret furchtsam, mehr angespannt oder apathisch, mehr rein seelisch oder überwiegend psychosomatisch (Seelisches äußert sich körperlich) usw. In zunehmendem Maße versucht man es erst einmal mit psychotropen Pflanzenheilmitteln wie dem stimmungsstabiliserenden Johanniskraut, den beruhigenden Baldrian-, Hopfen-, Melisse-, Passionsblume-Präparaten, den angstlösenden Kava-Kava- bzw. Kavain-Substanzen usw. Ansonsten bieten sich - zeitlich begrenzt - Beruhigungs- und Schlafmittel an, eventuell niederpotente Neuroleptika und Antidepressiva.

Therapeutische Möglichkeiten des Arbeitgebers

Und schließlich seien zum Abschluss noch einige "therapeutische" Hinweise für Arbeitgeber und Vorgesetzte erwähnt. Diese werden zwar einwenden, dass sie nicht auch noch für den "Seelenfrieden", insbesondere für die psychische Stabilität und die körperliche Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zuständig seien, doch sollten sie die nachfolgenden Zeilen dennoch lesen. Sie stammen nämlich nicht aus der Feder von Ärzten und Psychologen, sondern sind Erkenntnisse ihresgleichen, vorgetragen auf einem Kongress und publiziert in einer technischen Fachzeitschrift (vdi). Denn es gibt einen betriebspsychologischen Grundsatz, der keiner Diskussion bedarf, so selbstverständlich hört er sich an:

Verantwortungsvoller Umgang mit dem Personal fördert den Erfolg eines Unternehmens.

Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Das Betriebsklima wird rauer. Dabei wird immer wieder auf folgendes hingewiesen: Explodierende Kosten und harte Wettbewerbsbedingungen fordern die Unternehmer immer mehr. Viele suchen dann Lösungsansätze in neuen Strategien, vergessen dabei aber oft den pfleglichen Umgang mit ihren Mitarbeitern. Dazu die erwähnten Kommentare, die schon nachdenklich werden lassen.

"Mit einer schlankeren Organisation wollen sich die meisten Unternehmen ihren Weg in die Zukunft ebenen. Dieser Kampf ums Überleben beeinflusst aber in zunehmendem Maße die innerbetriebliche Zusammenarbeit. So geht es zwischen den Mitarbeitern inzwischen mit immer härteren Bandagen zur Sache. Dabei muss man sich fragen: Merkt denn niemand, wie stark mit diesem Umgangsstil (und oft auch Umgangston) die Bemühungen um einen der vorderen Plätze im Markt konterkariert werden? Kommt es denn keinem in den Sinn, dass derart geistig und seelisch ausgelaugte, frustrierte Mitarbeiter und von diesen deshalb nur allzu oft düpierte Kunden alles andere als Türöffner zur Zukunft sind? Gefordert ist deshalb eine Rückkehr zu pfleglicheren innerbetrieblichen Umgangformen" (I. Nütten).

Gewarnt werden muss vor einer wachsenden innerbetrieblichen Kälte. Denn der seelisch-mentale Stressballast in Folge rüden Führungsverhalten ist ein gefährlich unterschätzter Sprengsatz an den Fundamenten der Unternehmen: Die harte innerbetriebliche Gangart macht die Mehrzahl der Mitarbeiter bereits zu angeschlagenen Kämpfern, bevor sie überhaupt mit ihrer Arbeit begonnen haben" (Th. Weegen).

"Was der Sport schon lange zeigt, gilt ohne Abstriche auch für die Wirtschaft: Siege werden in den Köpfen errungen. Erfolge sind das sichtbar gewordene Ergebnis innerer Einstellung. Wo Führung ausschließlich als Powerplay mit Menschen und Mitteln betrieben und das innere Wohlbefinden der Belegschaft als Nebensache angesehen wird, heißt das Ergebnis nicht Erfolg, sondern Krise. Mit einem derartigen desolaten Innenleben findet kein Unternehmen die richtige Antwort auf die Fragen, die das hohe Innovations- und Wettbewerbstempo ständig aufwirft" (H. Volk).

Und zum Schluss das bedenkenswerte Ergebnis einer amerikanischen Untersuchung: Eigentlich wollte man nur wissen, welche fünf US-Firmen zwischen 1972 und 1992 im Jahresdurchschnitt die höchsten Gewinne pro Aktie erzielt haben. Doch als man schließlich diese fünf Gewinner nach ihren Gemeinsamkeiten untersuchte, kam folgendes heraus: Alle verfügten weder über eine beherrschende Marktposition, noch über eine einzigartige Technologie, noch waren sie Massenproduzenten. Sie agierten auch nicht in ausgesprochenen Wachstumsmärkten oder konnten sich auf Zulieferer stützen, die dem Unternehmen besonders eng verbunden waren. Vielmehr zeigte sich nur eines:

Der entscheidende gemeinsame Erfolgsfaktor lag im pfleglichen Umgang mit dem Personal.

Weiterführende Literatur

Zahlreiche wissenschaftliche Fachbücher und Publikationen sowie allgemeinverständliche Sachbücher und Artikel. Ein entsprechendes Kapitel in

· V. Faust: Seelische Störungen heute. C. H. Beck, München 1999

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